80er Jahre: Auf dem Land herrscht immer noch piefiger Konservatismus. Lediglich ein paar „Müslis“ passen nicht in das Bild und auch die Jugendlichen im Dorf haben den Drang zu rebellieren. So ist es das Klischee. Und ein bisschen war es damals ja auch so. Genau in diesem Milieu hat Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Lüschow ihren Film „Petting statt Pershing“ angesiedelt.

Dabei wird natürlich zunächst die miefige Welt der Spießer aufs Korn genommen, mit all ihren Widersprüchen und ihrer Bigotterie. Aber auch in der alternativen Szene werden die Protagonisten ihren eigenen Idealen alles andere als gerecht. In diesem Umfeld versucht die starke und kluge Ursula ihren Weg zur Freiheit und zu sich selbst. Den Reiz des Filmes macht aber gar nicht so sehr die Handlung aus. Stellenweise scheint der Film nur eine Handlung zu haben, weil ein Film eben eine Handlung hat.

So ist „Petting statt Pershing“ auch allenfalls am Rande eine Coming-of-Age-Geschichte. Ursula, sehr authentisch von Anna Hornstein gespielt, schlägt die Zuschauer von Anfang an in ihren Bann. Dabei hat sie es als Sympathieträgerin aber auch relativ leicht. Denn alle anderen haben doch ganz ersichtlich mindestens eine Macke, mitunter aber auch geradezu gruselige Züge. Trotzdem bleibt aber auch jede Person, doch irgendwie auf ihre Art sympathisch, selbst der Opa dessen Zeit, irgendwo vor 1945 stehen geblieben ist.

In einer schon fast dekonstruktivistischen Art, wird die damalige Gesellschaft, insbesondere die Sexualmoral auseinandergenommen. Die Spießer versuchen bürgerliche Moralvorstellungen zu bewahren. Doch eigentlich herrscht hinter einer schon bröckelnden Fassade fast eben soviel Sodom und Gomorrha, wie bei den „Müslis“, die freier Liebe predigen. Nur mit der freien Liebe ist das eben auch so eine Sache. Den Partner alleine für sich zu beanspruchen, ihm Freiheit zu lassen, das klingt in der Theorie ja so wundervoll, aber dann schlagen doch so kleinbürgerliche Emotionen wie Neid und Eifersucht zu. Möglicherweise ist Monogamie zwar monotoner aber dann doch harmonischer. Polygame Beziehungen mögen spannender sein, sorgen aber auch für Spannung. Die Idee der gewaltlosen Konfliktlösung kippt gleichfalls, Möglicherweise lassen sich ja alle Probleme mit Verzeihen, sich Umarmungen und Kuscheln lösen lassen, wenn man aber selbst den Schaden hat, ist, dass doch nicht so einfach. Ob Spießer oder Müslie letztlich ist jeder in seinen eigenen Konventionen gefesselt. Beim Aufbruch in die Freiheit steht man sich selbst am meisten im Weg.

Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Lüschow ist selbst in dieser Zeit groß geworden, dennoch betont sie im Gespräch mit Junker Jahnel, dass der Film keine autobiographischen Züge hat. Dennoch ist ganz deutlich ihre Sympathie für die damalige alternative Szene ersichtlich. Der Film ist eine Komödie, doch scheint die Regisseurin unter Witz, Ironie und Satire ihre tiefe Melancholie zu vergraben, eine Traurigkeit darüber, dass die Träume der damaligen Zeit gescheitert sind.

Dieser Film sollte zudem allen Jugendlichen gezeigt werden, die ihr Leben vor allem auf Karriere und gesellschaftliches Ansehen ausgerichtet haben.